Geschichte der Diskothek

Wie der zweite Weltkrieg die Disko hervorgebracht hat

Ein so fester Bestandteil der 70er wie ABBA und die Ölkrise: Die Diskothek. Oder wie sie heute bei der Jugend heißt: Der Club. Oder wie sie vorgestern bei der Jugend hieß: Die Tanzbar. Dröhnende Musik, überteuerte Getränke und zwielichtige Geschäfte auf den Badezimmern, da fühlt man sich gleich wohl. Aber woher kommt die Diskothek? Ihr Vorläufer ist älter als manch einer denkt.

Menschen treffen sich, um zu tanzen – das gibt es schon seit Menschen Musik kennen. Während den Bacchanalien vergnügten sich die Römer, auf den Bällen der Neuzeit die Reichen und Adeligen und für jedes schönes Bauernfest wurden ein paar Groschen für Musiker zusammengescharrt. Die Diskothek nach unserem Verständnis (eine Bar, in der Gäste zur Plattenmusik eines Discjockeys tanzen) hat ihren Ursprung aber in einer Zeit und an einem Ort, an dem es wenig zu feiern gab. Mehr auch hier: https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Wie-die-Disco-nach-Deutschland-kam,disco226.html

1938 begann der Adolf Hitler, seinen Traum von Ignoranz und Menschenhass in Europa gewaltsam an den Mann zu bringen. 1940 kapitulierte Frankreich und wurde von den Nationalsozialisten besetzt. Nazis in den Straßen von Paris! Und die brachten natürlich ihre Ideologie gleich mit. Keine von der NS-Regierung als Volksfeind angesehenen Gruppen war mehr sicher: für alle jüdischen, alle nicht-weißen, alle homosexuellen und kritisch denkenden Franzosen begann eine Zeit des Terrors. Der Teil der Bevölkerung, der nicht abtransportiert wurde, musste sich den Weisungen der Deutschen beugen und das hieß unter anderem: keine „entartete“ Musik. Denn nach der deutschen Logik war Jazz und Swing, das in der afroamerikanischen Musikszene der amerikanischen Südstaaten entstanden war, keine geeignete Musik für Arier.Als erste Bar widersetzte sich diesem Diktum die Pariser Institution „La Discotheque“. Der Name nimmt ihre geschichtliche Bedeutung schon vorweg. Damals sollte er ein Wortspiel auf „Bibliotheque“ sein, also eine Einrichtung nicht voller Bücher, sondern voller Schallplatten. In Zeiten des Weltkrieges waren Live-Musiker schwer aufzutreiben, also begnügte man sich mit, ganz richtig: Schallplatten und Lautsprechern. Dem Trendsetter Discotheque folgten viele kleine Betreiber, die in sicheren Kellern und unterirdischen Räumen Jazz und Getränke anboten. Ihre Musikanlagen mussten sie selber zusammenbasteln, und es grenzt wohl an ein kleines Wunder, dass es keine Feuer gegeben hat.
1944 endete die Besatzung, 1945 der Krieg. Die ungebetenen Gäste mussten Frankreich verlassen, aber die neugeborene Institution Diskothek blieb. Neue Clubs sprangen aus dem Boden und alle spielten sie Jazzmusik von der Schallplatte und verkauften neumodische, exotische Drinks wie amerikanischen Whiskey. 

Die Diskothek hatte ihren Triumphzug begonnen: von Frankreich schwappte der Trend über in das nachkriegszeitliche London, in dem es bereits eine florierende Jazz-Szene gab. Es folgten die Karibik und die USA und die ersten Discjockeys wurden für ihr Talent im Auflegen bekannt. 1959 öffnete auch in Deutschland die erste bekannte Diskothek ihre Türen in Osnabrück. Der Trend verbreitete sich in den Fünfzigern und Sechzigern gemächlich, dann gab es einen regelrechten Disko-Boom in den 70ern, wie sich unschwer an den Charts der Zeit erkennen lässt. Die Lichtshows der Diskotheken wurden mit Scheinwerfern, Lasern und der allseits beliebten Diskokugel aufgespickt.

Auch die Rolle des Discjockey hatte sich gewandelt. In den Vierzigern hatte er bloß Platten aufgelegt, jetzt aber nahm er sich immer mehr Freiheiten. Er gestaltete Lichtanlage mit, schraubte an der Tonanlage und er begann vor allem, Stücke zu mixen und mit neuen Methoden des Auflegens zu experimentieren. Diese neuen Techniken wie Scratching, Tracks übereinander legen, Schleifen etc hören wir heute noch in den Neuerscheinungen auf den Charts. 

Auch Drogen hielten schon früh ihren Einzug in die Diskoszene. Die erste Drogenrazzia fand 1950 in einem Club in London statt. In den späten Achtzigern etablierten sich in der neu entstandenen anti-kommerziellen Rave-Szene Substanzen wie Ecstasy, Acid, Ketamin und Kokain, die beliebter waren als der ebenfalls angebotene Alkohol. Die Beliebtheit dieser Drogen in der Diskoszene trug sicher zum Erfolg von 12-Minuten-Songs von Interpreten New Order und deren Kollegen bei.

Heute ist die Diskothek fast vollständig von dem modernen Club abgelöst worden. Dass es aber in Clubs regelmäßig gut besuchte 70er, 80er und 90er Abende gibt, spricht wohl dafür, dass auch die heutige Generation die frühen Tage der Diskothek nicht vergessen hat – nur Jazz hört man selten.